Wachstum in der Gärtnersiedlung in Rain
Die Firma Seidl ist einer der sieben Gartenbaubetriebe, die in Rain für Dehner Zierpflanzen produzieren. Vier Millionen investiert sie in neue Produktionsflächen. Was dort wachsen soll Von Barbara Wild
Großbaustelle in der Gärtnersiedlung in Rain: Beim Gartenbaubetrieb Seidl entstehen knapp 20.000 m² neue Produktions- und Arbeitsflächen. Die Glashäuser stehen bereits, jetzt folgt der aufwendige Innenausbau. Gartenbaumeister und Inhaber Josef Seidl investiert vier Millionen Euro.
Wer auf der Bundesstraße 16 zwischen Rain und Burgheim fährt, kennt die langen Reihen der Gewächshäuser der Gärtnersiedlung Rain. Sieben Gartenbaubetriebe haben sich 1999 zusammen niedergelassen und produzieren dort Zierpflanzen fast ausschließlich für Dehner: Vom Stiefmütterchen bis zum Elefantenfuß – in den Gewächshäusern blüht und grünt es rund ums Jahr – je nachdem, welche Saisonware gerade in den Handel kommen soll.
In diesem Jahr soll eine neue Gartenidee die Kunden im Gartencenter begeistern: die sogenannte Greenbar. Der Kräuter-Pflanzkasten mit Bewässerungssystem für die Fensterbank. Um diese Idee für die langlebigere Kräuterpflanzenmischung in der Küche in großem Stil umzusetzen, investiert der Gartenbaubetrieb Seidl jetzt gut vier Millionen Euro in den Standort in Rain und modernisiert damit seinen gesamten Betrieb. Denn neben 8000 Quadratmetern Gewächshaus für die Kräuter und 8000 Quadratmetern Außenfläche, um die Pflanzen abzuhärten, entsteht auch eine neue Arbeitshalle. Auf 2500 Quadratmetern wird in Zukunft gepflanzt, gestutzt und die Pflanzen werden versandfertig gemacht. Für Inhaber Josef Seidl eine notwendige Entscheidung: „Wir haben zwar seit 1999 immer wieder mal angebaut, aber jetzt ist es einfach zu klein geworden“, sagt der Gärtnermeister. Für die rund 20 Mitarbeiter werden zudem neue Sozialräume entstehen.
Für Seidl, dessen Hauptniederlassung in Pförring im Landkreis Eichstätt liegt, war es keine Frage, am Zweitstandort in Rain anzubauen. „Hier sind die logistischen Bedingungen in der Gärtnersiedlung einfach so gut, dass es so für uns viel lohnenswerter ist“, erklärt Seidl, der das Geschäft von seinen Eltern übernommen hat.
Seit November ist der Betrieb, der der hinterste in der langen Reihe der Gärtnersiedlungsbetriebe ist, Großbaustelle. Bagger und Handwerkerfahrzeuge versperren die Einfahrt, Baumaterial stapelt sich. Für jeden sichtbar geht es voran.
Die Arbeitshalle steht bereits, ebenso wie die Außenhüllen der Gewächshäuser. Derzeit läuft der aufwendige Innenausbau, der noch bis Juni dauern soll. Wie aufwendig, ist für den Laien meist nicht zu erahnen, wie Seidl aus Betriebsführungen weiß. Da schaut er oft in überraschte Gesichter, wenn er erklärt, welche Technik beim Zierpflanzenbau mittlerweile eingesetzt wird. „Wir installieren aktuell Elektronik, damit wir den Einsatz von chemischem Pflanzenschutz so gering wie möglich halten können“, erklärt er. So soll es beispielsweise eine Luftentfeuchtungsanlage geben, die die Innenluft durch einen Salzfilter saugt und damit Pilzsporen entfernt. Der Gießwagen für die automatische Bewässerung hat zugleich Ventilatoren, mit dem die Kräuter gezielt Wind ausgesetzt werden, um sie robuster zu machen. Mit Insektenlampen, die über die Tausenden von Blumentöpfchen fahren können, werden Fliegen und andere Schädlinge angelockt und beseitigt.
Für die notwendige Wärme in den Gewächshäusern sorgen eine Biogas-Anlage und eine neu installierte Hackschnitzelheizung. Für den Notfall könnte noch eine Gastherme einspringen. Übrigens ist auch in Energiefragen die Gärtnersiedlung eine Gemeinschaft: Die Heizungsanlagen werden gemeinschaftlich von mehreren Betrieben genutzt – je nach Bedarf.
Die Technik ist nicht nur eine Frage der Pflanzenqualität, sondern auch eine Kostenfrage. Denn jeder Handgriff, der von einem Mitarbeiter ausgeführt werden muss, ist teuer. „Deshalb versuchen wir, wo es geht, auf technische Unterstützung zu setzen“, erklärt Seidl. Er zeigt auf einen Pflanzroboter, der gerade im Minutentakt rund 15 kleine Plastiktöpfen mit Erde befüllt, den Setzling hineinsteckt und die Becher in einer Reihe auf einen Pflanzwagen stellt. Wenn – wie in diesem Fall – die Begonien größer gewachsen sind und mehr Platz brauchen, wird ein anderer Roboter die Töpfe automatisch umsortieren. Menschenhände sind hier unnötig.
Bei Seidl wachsen in Zukunft aber nicht nur rund 1,5 Millionen Kräuterpflanzen pro Jahr, sondern im Sommer auch klassische Beet- und Balkonware. Aktuell landen die letzten Alpenveilchen im Handel, es folgen die Veilchen. Ebenfalls aus dem Rainer Gewächshaus kommen sogenannte Wellnesspflanzen wie Katzengras und Vogelmiere. Ganzjährig liefert Seidl Orchideen in jeder Qualitätsstufe an die Dehnermärkte oder in die ebenfalls zur Gartencenter-Holding gehörige Coop-Märkte nach Österreich und die Schweiz. Eine Orchidee braucht mindestens ein Jahr Wachstumspflege im Gewächshaus, bevor sie sich der Kunde auf die heimische Fensterbank stellen kann. Große Pflanzen mit bis zu sieben Trieben stehen sogar drei bis vier Jahre im Gartenbaubetrieb. Übrigens hat auch hier Seidl ein paar neue Ideen: „Ich glaube die Kunden sind der klassischen Orchidee zunehmend überdrüssig. Es wird Zeit für neue Sorten“, sagt er. Ein paar Exemplare wachsen derzeit bei ihm in Rain.